Von Christina Law-McLean IBCLC

„Wenn ich stille, fängt mein Baby nach kurzer Zeit die Brust anzuschreien!“ Diesen Satz höre ich häufig in meiner Stillgruppe. Oft kommen die Mütter mit ihren 3-4 Monate alten Babys zum ersten Mal in mein Stillcafe um sich Tipps zu holen weil sie ratlos sind. Eigentlich hatte gerade alles so gut geklappt und schien viel besser eingespielt als in den ersten Tagen und Wochen. Und nun das!

Brustschreiphase? Gibt es das überhaupt?

Fakt ist, dass tatsächlich viele stillende Mütter über dieses Phänomen berichten. Es kommt immer wieder vor, dass Babys im Alter von etwa 3-5 Monaten vermeidlich grundlos während der Stillmahlzeit „die Brust anschreien“, unzufrieden scheinen, sich überstrecken und nur schwer zum Weitertrinken zu bewegen sind. Nahezu alle Mütter die von diesem Verhalten ihres Babys berichten, beobachten auch, dass dieses Verhalten hauptsächlich tagsüber auftaucht, das Baby nachts hingegen weiterhin ganz normal trinkt.

Warum tut mein Baby das?

Das Verhalten des Babys ist für die Mütter erfahrungsgemäß doppelt unangenehm: Zum einen machen sie sich Sorgen, dass ihr Baby die Mahlzeit zu früh abbricht und nicht genug trinkt. Zum anderen fühlen sie sich geradezu abgelehnt, wenn das Baby anfängt die Brust mitten in der Mahlzeit abzulehnen, loslässt und sich wegdrückt. Manche der psychologischen Erklärungsversuche auf die man stößt sind eher abstrakt, andere geradezu abenteuerlich (z.B. die Theorien der Psychoanalytikerin Melanie Klein), aber so richtig überzeugend sind sie nicht.

Zutreffend ist sicherlich, dass Babys in diesem Alter große Entwicklungsschritte machen. Meine Beobachtung ist, dass manche Babys manchmal davon quasi überwältigt scheinen und die ganzen Sinneseindrücke es ihnen –gerade tagsüber- schwer machen, sich aufs Trinken an der Brust zu konzentrieren. Denn zum Trinken an der Brust wendet man sich von all den einprasselnden Eindrücken ab und lässt sich ganz auf Mama und auf das Trinken ein. Dies könnte auch erklären, warum das Verhalten nachts weniger stark auftritt und man es bei Flaschenkindern nicht in dieser Form beobachten kann.

Also nur eine entwicklungsbedingte Phase?

Meiner Meinung nach ist es leider nicht ganz so einfach. Zwar sind diese berühmten „Phasen“ als Erklärung für Babyverhaltensweisen sehr tröstlich, denn der Begriff suggeriert ja bereits, dass es etwas Vorübergehendes ist. Dem ist auch hier so: Irgendwann verschwindet das Verhalten meist von selbst.

Mein Problem damit: Wenn man Schreien an der Brust vorschnell ausschließlich als Phase abtut die sich von selbst erledigen wird, übersieht man eventuell andere Dinge, welche dem Baby zu schaffen machen und es deswegen unruhig sein lassen.

Und meist stellt sich nach und nach heraus, dass tatsächlich eine Kombination von mehreren Gründen dahinter stecken und nicht ausschließlich eine entwicklungsbedingte Phase.

Weitere Gründe die dahinter stecken können

  1. Die Milch fließt sehr stark- Übersteigerter Milchspendereflex
    Gerade wenn sich die Milchbildung so richtig eingespielt hat, gibt es immer wieder Frauen, welche einen recht starken Milchspendereflex haben. Manche Kinder sind von diesem starken Milchfluss gerade am Anfang der Mahlzeit nicht gewachsen. Die einen Kinder reagieren darauf mit vermehrtem Verschlucken oder dem Schlucken von viel Luft, andere lassen immer wieder die Brust los, werfen den Kopf nach hinten und sind „ungehalten“ weil sie nicht ruhig trinken können.
  1. Es fließt zu wenig Milch
    Auch das Gegenteil kann der Fall sein: Die Milch fließt nicht „schnell genug“ oder nicht „stark genug“. Dies hat nicht immer mit der Milchmenge an sich zu tun. Es kann auch sein, dass genug Milch da ist, aber schlicht der Milchspendereflex nicht so rasch einsetzt oder das Baby sich wenn der Milchfluss zwischen den Milchspendereflexen nachlässt beschwert. Darauf reagieren Kinder in diesem Alter manchmal in genau der gleichen Weise wie beim ersten Punkt beschrieben: Die Brust loslassen, an der Brustwarze ziehen, Kopf nach hinten werfen und Unruhe.Das Tückische hieran, oft entwickelt sich eine Art Teufelskreis: Du hast bereits ein paar Mal erlebt, dass Dein Baby an der Brust protestiert – Du fürchtest bei jeder Mahlzeit tagsüber, dass es dies wieder tut – Durch diesen Druck bzw. Stress, fällt es Dir schwerer, die Milch „loszulassen“ und einen Milchspendereflex zu haben – hierdurch zeigt Dein Baby tatsächlich das befürchtete Verhalten -… usw.
  1. Du hast tatsächlich zu wenig Milch
    Meist ist es eher der Fall, dass Du zwar genug Milch hast, aber in diesen „Brustschrei-Situationen“ die Milch wie im letzten Punkt beschrieben Deinem ungeduldigen Baby für den Moment zu langsam läuft. Meist ist es in dieser Phase der Fall, dass die Babys die so verkürzten Mahlzeiten beispielsweise nachts nachholen und unter dem Strich trotzdem genügend trinken. Aber es gibt auch Fälle, in denen die Milchmenge durch andere Gründe allgemein zurückgegangen ist oder in denen die Milchmenge zurückgeht, weil das Baby die verkürzten Mahlzeiten eben nicht nachholt.
  1. Dein Baby hat Schmerzen oder es ist ihm aus einem anderen Grund unwohl.
    Es kann auch sein, dass Dein Baby abgesehen von den oberen Punkten oder zusätzlich zu einem der oberen Punkte Schmerzen hat. Hier kann es ganz unterschiedliche Gründe geben: Manche Babys haben in diesem Alter bereits erste Zahnungsbeschwerden und die Kauleiste ist wund. Oder Dein Baby hat sogenannte „Blockaden“ weshalb es manchmal Sinn machen kann, eine Osteopatin/Osteopaten aufzusuchen.Aber auch schlicht dass Deinem Baby zu warm ist (z.B. im Hochsommer) oder ihm die Stillposition nicht zusagt und es ihm unbequem ist kann ein Mitverursacher dieser Unruhe beim Trinken sein. Manche Babys zeigen beispielsweise eine deutliche Abwehrhaltung wenn ihr Kopf zu sehr in der Armbeuge „fixiert“ ist. Es gibt hier eine Vielzahl an Möglichkeiten.

Wichtig! Es geht nicht „gegen Dich“

Besoders wichtig bei diesem Phänomen ist, dass Du Dir bewusst bist, dass dein Baby nicht Dich oder Deine Brust anschreit und ablehnt. Wie Du gerade gelesen hast kommen meist mehrere Gründe zusammen, die rein gar nichts damit zu tun haben, dass Dein Baby Dich oder Deine Brust ablehnt. Vielmehr ist es in diesem Moment „mit der Gesamtsituation unzufrieden“ und weis gerade einfach nicht anders damit umzugehen.

Was kann ich nun tun?

Wie bei vielen anderen Situationen mit Babys muss man ein wenig auf Spurensuche gehen und nach und nach sehen, was Dein Baby gerade stört.
Wie so oft ist es gut, wenn Du Dir Hilfe holst. Zum Beispiel in eine Stillgruppe gehst oder mit Deiner Stillberaterin oder Hebamme sprichst. Sie können Dir helfen, den Bereich des Stillens selber etwas näher anzusehen.

Bei Starkem Milchfluss kann bereits eine andere z.B. eher nach hinten gelehnte Stillposition Deinem Baby und Dir bereits helfen. Oder Du löst Dein Baby sanft von der Brustwarze (mit dem kleinen Finger im Mundwinkel) wenn Du das Gefühl hast, dass es gerade Probleme hat den Milchfluss zu bewältigen und lässt einfach die stark spritzende Milch während des ersten Milchspendereflexes ein wenig in ein Tuch oder Behälter laufen bis sie nicht mehr so stark läuft oder drückst sanft für kurze Zeit mit der flachen Hand gegen die Brust um den Milchspendereflex abzuschwächen.

Wenn Dein Baby eher unruhig scheint weil die Milch gerade nicht so gut fließt, gibt es unterschiedliche Ansätze. Zunächst solltest Du versuchen, entspannt an die Mahlzeit heranzugehen. Vielleicht kannst Du durch eine sanfte Massage oder durch kurzes Entleeren mit der Hand den Milchspendereflex bereits in Gang bringen. Wenn Dein Baby während der Mahlzeit unruhig wird, weil zwischen zwei Milchspendereflexen die Milch gerade etwas weniger stark fließt, hilft manchen Müttern auch eine Unterstützung durch die sogenannte Brustkompression. Deine Stillberaterin oder Hebamme wird Dir helfen die für Dich und Dein Baby angenehmste Methode zu finden.

Wenn Du mit Hilfe Deiner Stillberaterin oder Hebamme diese Stillprobleme überprüft hast und Du das Gefühl hast, dass Dein Baby darauf nicht anspricht, ist es sinnvoll ruhig auch gleichzeitig den Kinderarzt anzusprechen. Er kann auch andere mögliche Gründe für die Unruhe Deines Babys wie z.B. Ohrenschmerzen oder ähnliches ausschließen. Wie oben erwähnt kann es zusätzlich gut sein, eine Osteopatin/Osteopaten aufzusuchen.

Lass Dich nicht entmutigen

Das Gefühl, dass das Baby die Brust oder einen selbst als Mutter ablehnt kann ganz schön verunsichernd sein. Lass Dich davon nicht entmutigen! Hol Dir Hilfe und Unterstützung. Vielleicht tut Dir und Deinem je nach Situation entweder eine kleine gemeinsame Kuschel- und Auszeit oder aber auch etwas Ablenkung gut. Höre auf Dein Bauchgefühl.

Und wenn Du mit Hilfe von Stillberaterin, Hebamme und Kinderarzt vielleicht einen Grund ausfindig gemacht hast oder aber auch Gründe ausgeschlossen hast, gibt Dir das Sicherheit.

Also in diesem Sinne: Entspannt stillen!

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