Von Christina Law-Mclean IBCLC

Auch wenn der Begriff „Stress“ sich nach einem abgedroschenen Schlagwort anhört, viele Stillprobleme sind entweder eine direkte Folge davon oder werden zumindest mehr oder weniger davon beeinflusst. Grund genug, sich dies etwas genauer anzusehen.

Es scheint schon fast unausweichlich

Wenn eine Stillende zu mir in die Sprechstunde kommt, berichtet sie natürlich zunächst einmal von dem Problem, welches sie zu mir führt (ob nun Schmerzen beim Stillen, nicht heilen wollende wunde Brustwarzen, immer wieder auftretende Milchstaus oder auch ein Baby welches die Brust verweigert oder mangelnde Gewichtszunahme des Kindes und die Angst nicht genug Milch zu haben…). Dann stelle ich neben einer körperlichen Untersuchung (Brust, Brustwarzen aber auch Saugmuster des Kindes, Mobilität der Zunge etc.) Fragen zu Vorerkrankungen aber auch dazu wie sich denn die bisherige Stillbeziehung so entwickelt hatte. Ich erkundige mich wie die Geburt war, wie der Stillstart war und so weiter. Unweigerlich kommt von mir auch immer die Frage nach eventuellen Veränderungen, schwierigen Randbedingungen im Prinzip also nach dem Stress.

Stress- nein, eigentlich nicht! Und uneigentlich?

Nahezu immer ist die Antwort so etwas wie „Nein, eigentlich nicht!“
Im Verlauf unserer Unterhaltung kommen wir dann aber sehr häufig doch zu einem Ereignis, einer Änderung im Umfeld oder Ablauf, einer Erkrankung oder auch anderen vermeintlich harmlosen Dingen wie „Besuch von den Eltern“ oder Urlaub.
Stress der einen Einfluss auf das Stillen und Stillprobleme hat muss hierbei nicht notwendigerweise „negativer Stress“ sein, auch als angenehm oder schön geltende Urlaubswochenenden oder freudige Feiern wie Hochzeiten können den Baby Alltag manchmal ganz schön durcheinander bringen.
Manchmal sind wir „Muttertiere“ auch so im „Wir-schaffen-das-schon-Mama-Modus“, dass uns gar nicht bewusst ist, wie viel wir uns (immer mit einem Lächeln) zumuten, was uns Sorgen bereitet oder uns schlichtweg überfordert.

Manchmal sind wir einfach gestresste „Muttertiere“

Als ich einmal mit einem befreundeten Tierarzt über meinen Beruf gesprochen habe und darauf einging, dass viele Stillprobleme von einem Zuviel an Wochenbettbesuch, Stress oder anderen ungünstigen Randbedingungen kommen, sagte er ganz trocken „Ist klar, kenne ich: Im Melkstand muss Ruhe herrschen, sonst wird das nichts!“

Wie bei anderen Säugetieren ist es auch bei Menschen-Mamas so, dass auf hormoneller Ebene Schmerz und Stress äußerst kontraproduktiv sein kann. Zum einen was den Fluss der Milch angeht, aber auch was die Milchmenge allgemein angeht. Unter Sorgen oder Dauerstress auf eine ausreichende Milchmenge zu kommen kann mitunter eine ganz schöne Herausforderung sein. Zusätzlich treten Probleme wie Milchstaus oder wunde Brustwarzen häufiger unter solchen Bedingungen auf, bzw. bilden sich schlechter bzw. langsamer zurück.

Der Milchspendereflex, manchmal ein scheues Reh

Der Vorgang, der beim Stillen dazu führt dass die Milch quasi fast von selbst läuft nennt sich Milchspendereflex. Er wird durch das Saugen des Säuglings (oder der Pumpe), durch Berührungsreize, manchmal sogar durch das bloße Anschauen des Babys oder durch Babyschreie ausgelöst. Im Körper der Stillenden wird durch diese Reize das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, welches die Milch zum Fließen bringt.
Genau dieser feine Ablauf kann durch Schmerz oder Stress unterbrochen werden. Das heißt, in manchen Stillsituationen kann sich hierdurch ein Teufelskreis ergeben: Wenn eine Mutter beispielsweise wunde und schmerzende Brustwarzen hat, führt die Schmerzerwartung vor und beim Anlegen („Ahhh gleicht tut es weh!“) unter Umständen dazu, dass der Milchspendereflex länger benötigt bis er einsetzt. Dies wiederum animiert Babys häufig dazu, länger und kräftiger zu saugen um den verzögerten Milchspendereflex „endlich“ auszulösen. Das verursacht bei wunden Brustwarzen nicht nur zusätzliche Schmerzen, sondern möglicherweise eine Verschlimmerung der Verletzung.. Vor dem nächsten Anlegen fängt das Ganze wieder von vorne an, nur noch schlimmer.

Stress, Druck, Schmerz stören das entspannte Stillen

Auch die Befürchtung als Mutter, nicht genug Milch zu haben und deshalb zum Beispiel beim Abpumpen stetig auf das Abpumpset zu starren und die Graduierung der Flasche von Milliliter zu Milliliter zu verfolgen, kann genau den gleichen Störfaktor für den Milchspendereflex bedeuten.
Die Situationen in denen Stress, Druck oder Schmerzen dir auf diese weise eine Hürde darstellen sind vielfältig: Ob beeinträchtigende Kaiserschnittnähte, starke Nachwehen, wunde Brustwarzen, aufdringliche Schwiegermütter, überperfekte Freundinnen, gezückte Ärzteaugenbrauen oder kritische Hebammenblicke, für jede Frau ist der Stressfaktor individuell.

Was ist dein Stressfaktor, sei ehrlich!

Das heißt für deinen Stillerfolg auch: Du musst für dich entscheiden was dich WIRKLICH stresst und was nicht. Beispielsweise gibt es Frauen für die wäre die Vorstellung, dass ihre Mutter ihren Haushalt schmeißt (sich einmischt) während sie die ersten Tage mit ihrem Baby zuhause verbringt der blanke Horror. Andere wiederum würden es als superangenehmes „die Mutter bemuttern“ empfinden und es genießen.
Bei Schmerzen genauso: Sei ehrlich! Die „Indianer kennen keinen Schmerz Nummer“ ist hier fehl am Platze. Spiel nicht die Heldin, lass dir Schmerzmittel geben (z.B. gegen Nachwehen oder Wundschmerzen nach Kaiserschnitt) oder vom Profi helfen (z.B. bei wunden Brustwarzen)

Positiver Stress ist auch Stress, zumindest in der Stillzeit

Und nicht immer ist es negativer Stress wie Sorgen, Schmerzen oder unangenehme Gesellschaft. Auch eigentlich positive Anlässe wie ein Urlaubswochenende als kleine Familie oder Besuch der besten Freundin können den Baby-Alltag genug durcheinander bringen, dass dein Körper dir seine Grenzen aufzeigt. Beispielsweise indem deine wunden Brustwarzen einen „Rückfall“ haben oder sich immer wieder Milchstaus bemerkbar machen.
Außerhalb der Stillzeit hast du vielleicht auch eine (oder mehrere) „schwache Stellen“ in deinem Körper. Die einen reagieren mit Magenschmerzen auf Sorgen oder mit Asthma auf Ängste oder auch mit einer plötzlich auftauchenden Blasenentzündung auf alle möglichen weiteren Stressoren. In der Stillzeit macht dich häufig deine Brust auf eine Überforderung aufmerksam, sie ist ein feiner Gradmesser für das Wohlbefinden der Mutter.

Nein, du musst dich nicht einschränken

Das bedeutet nun nicht, dass du alle Aktivitäten bleiben lassen sollst oder dir gar „verkneifen“ sollst. Im Gegenteil: Du sollst genau das machen was dir gut tut in der Stillzeit (und eigentlich und auch „uneigentlich“ überhaupt). Dabei solltest du ganz ehrlich in dich hineinhorchen und diejenigen Dinge auslassen oder einschränken die dich beeinträchtigen oder dich nerven oder deinen Babyalltag zu sehr durcheinander bringen, egal ob du denkst dass irgendetwas von dir erwartet wird.

In diesem Sinne: Entspannt stillen!

Du hast Fragen zum Thema? Oder zu anderen Stillthemen?
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