Beitrag zur Blogparade „Glück muss man können“ von Silvia Chytil
Von Christina Law-McLean IBCLC

„Das hatte ich mir ganz anders vorgestellt!“ ist einer der am häufigsten gehörten Sätze von frischegebackenen Erstlingsmüttern auf Wochenstationen. Und als Stillexpertin die seit über 20 Jahren Mütter und ihre Neugeborenen begleitet, habe ich oft das Gefühl, dass die Mütter damit gar nicht mal „das Baby“ oder „das Muttersein“ an sich meinen, sondern eine Art Zwang zum Glücklichsein fühlen, welcher sie sehr unter Druck setzt und irritiert. Denn sie selbst dachten vermutlich auch in der Schwangerschaft vor allem bis zur Geburt und gingen davon aus, das „wenn das Baby erst mal da ist“ alles wunderschön und rosarot ist.

Mutterglück ist bunt und braucht Zeit

Vergleichen wir es mal mit der „Dating-Welt“: Sein erstes Baby zu bekommen ist in etwa so, als ob jemand der sein bisheriges Leben als eingefleischter Single gelebt hat innerhalb kürzester Zeit sich auf den ersten Blick verlieben soll, mit dieser Liebe sofort zusammenziehen und den Alltag bewältigen soll. Selbst wenn die beiden an und für sich das „perfekte Paar“ sind, ist dieser Prozess etwas was Ruhe und Zeit braucht und auch etwas das zwischendurch immer wieder einmal schwierig ist.
Denn auch wenn klar ist, dass Mama und Baby ab jetzt ein Paar sind, so müssen sie sich dennoch erst einmal gegenseitig an die jeweiligen Eigenheiten gewöhnen und die müssen Zeit und Raum dafür bekommen sich ineinander zu verlieben. Und das geht nicht auf Knopfdruck und vor allem fühlt es sich für jedes Mama Kind Paar anders an.

Glück für das Glück: Die Natur hilft mit!

Wunderbarerweise haben sowohl der Körper des Babys als auch der Körper der Mutter Unterstützung. Bereits durch die ersten Sekunden des Hautkontakts, des Kuschelns und auch des ersten Anlegens wird das Liebeshormon Oxitocin ausgeschüttet. Dieses Hormon hilft nicht nur der Mutter bei der Geburt und auch in der Nachgeburtsphase bei der Rückbildung, sondern auch dabei, dass Mama und Baby sich unsterblich ineinander verlieben. Selbst bei jeder folgenden Stillmahlzeit wird Oxitocin ausgeschüttet und sorgt nicht nur für das Gefühl der Verbundenheit zwischen Mutter und Kind, sondern auch dafür, dass die Milch fließt.
Allerdings brauchen diese Zarten Bande gerade am Anfang viel Ruhe und gemeinsame Zeit. Stress durch Trennung (auch wenn sie manchmal aus medizinischen Gründen sein muss) oder durch unentwegte Besuchermassen ist kontraproduktiv.

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Die Randbedingungen machen den Unterschied

Als ich meinen ersten Sohn vor gut 23 Jahren geboren habe und er mir auf die Brust gelegt wurde, ging mir schlicht durch den Kopf: „Hm, ok,…das ist er nun. Wir zwei müssen nun miteinander klar kommen.“ Er sah ein wenig jämmerlich aus fand ich, dick mit Käseschmiere bedeckt, lauthals brüllend und selbst ziemlich verwirrt von der recht raschen und auch etwas zu frühen Geburt. Leider hatte es sich damals noch nicht in den Kreißsälen herumgesprochen, dass Babys die von der Geburt noch etwas mitgenommen sind, sich meist auf der Brust der Mutter am besten stabilisieren. Seine Nabelschnur wurde sofort gekappt, er wurde in ein Tuch gewickelt und den Kinderschwestern übergeben, die ihn erst mal in einen Brutkasten mit etwas Sauerstoffgabe legten. Erst Stunden Später brachte ihn eine Kinderschwester zum Anlegen vorbei, dockte ihn einfach an meiner Brust an und holte ihn 20 Minuten später wieder ab. Ich war Mutter geworden, ich war verwirrt und diese surreale Situation, dass mir zwar der Babybauch fehlte, aber eben auch sein Inhalt, ließ mich damals denken: „Das hatte ich mir anders vorgestellt!“

Mein Sohn und ich brauchten entsprechend eine Weile bis wir zusammengefunden hatten, bis wir diese Irritation der ersten Stunden verdaut hatten, uns aufeinander einlassen konnten und gemeinsam glücklich sein konnten.
Dieser Prozess meiner Entwicklung von der ersten kompletten Verunsicherung bis zur verliebten Vollblutmama hat mich damals übrigens so bewegt, dass daraus mein Berufswunsch entstanden ist: Ich wollte Müttern zur Seite stehen, glücklich mit ihren Babys zu sein und entspannt zu stillen.

Dem Kennenlernen und dem Glück Raum geben

Wenn Mutter und Kind im Gegensatz zu meiner Geschichte mit meinem ersten Sohn hingegen Zeit und Ruhe gegeben wird, sich kennenzulernen, sich zu beschnuppern und das Baby Gelegenheit hat an die Brust gehen zu können (und auch dort wieder die Ausschüttung des Liebeshormons Oxitocin anzuregen) bevor es zum Wiegen und Messen kurz weggenommen wird, gibt das den beiden außerdem Unterstützung für einen optimalen Stillstart. Verständnisvolle Rückendeckung des eigenen Umfelds und kompetente Begleitung durch Hebamme und Stillberaterin schaffen einen angenehmen Rahmen.
Je früher und je besser man sich so gegenseitig kennenlernen kann, desto weniger kommt das Gefühl „Das hatte ich mir anders vorgestellt“ zum Tragen.

Bin ich die einzige?

Ein weiterer Faktor bei diesem manchmal auftretenden Gefühl des „Zwangs zum Glück“ frischgebackener Erstlingsmütter ist, dass sie zum einen sehr häufig davon ausgehen, dass alle anderen Mütter keinerlei Probleme (beim Stillen, Schlafen etc.) haben, sondern nur sie selbstDies führt bei ihnen zu einem Gefühl der kompletten Unzulänglichkeit.
Bitte, glaubt mir: Das ist absoluter Quatsch!!!
Denn ehrlichgesagt sehr viele der Patientinnen in meiner Sprechstunde, vermuten, dass sie die einzigen mit Anlaufschwierigkeiten sind.
Es gehört tatsächlich ein wenig dazu, dass man sich verunsichert fühlt, ab und an überfordert ist und sich wundert „wird das denn nie besser werden?“ Doch, es wird besser werden, versprochen!

Wichtig ist dabei die gute Begleitung durch Hebamme oder Stillberaterin, denn Schmerzen beim Stillen beispielsweise sollen nicht sein. Auch kann sie Euch Mut machen, wenn Ihr gerade mal wieder das Gefühl habt dass nichts funktioniert.

Eure Liebesgeschichte ist Eure Liebesgeschichte

Andererseits haben Mütter oft die vielen (über die Zeit des Erzähltwerdens häufig geschönten oder verschlimmerten) Geschichten von Verwandten oder Freundinnen im Kopf und vergleichen sich ständig. Tut Euch das bitte nicht an! Die Beziehung und das Leben mit Eurem Baby ist Eure ganz einzigartige Geschichte und weder die rosaroten „Oh ich war so glücklich“-Geschichten noch die „Der absolute Horror“-Alptraumstorys haben etwas mit Euch zu tun. Erfahrungen austauschen ist wichtig, sehr wichtig, z.B. in einer Stillgruppe, aber Euch vergleichen und Euch davon herunterziehen lassen solltet ihr nicht. Genießt eure eigene Liebesgeschichte, auch wenn sie zwischendurch mal schwierig ist.

Macht Euer eigenes Glück

Fühlt Euch nicht gezwungen zum Babyglück, schon gar nicht von anderen. Nein, ihr müsst als frischgebackene Mütter und Väter nicht die ganze Zeit mit verklärtem Kitsch-Liebesfilm-Blick durch die Gegend laufen. Und erst recht müsst Ihr nicht die „Babyglück-Ideale“ Eurer Familie, Eurer Freunde oder weiterer Leute die meinen sie müssen mitreden erfüllen, Punkt! Findet Euern eigenen Weg.
Es ist vollkommen in Ordnung, wenn man Euch ansieht, dass die ersten paar Wochen mit Baby manchmal echt eine Herausforderung sein können. Es ist ok auch mal unzufrieden zu sein oder traurig. Und es ist nicht nur ok sondern absolut wichtig, Euch Hilfe zu holen, wenn es z.B. mit dem Stillen nicht so richtig klappt oder weh tut. Das ist kein Zeichen von Schwäche oder von „ich habs nicht geschafft“, sondern es ist ganz normal, Hilfe und Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Wie heißt es deshalb so schön: „Es braucht ein Dorf um ein Kind groß zu ziehen.“ Stellt Euer Dorf aus denjenigen zusammen, die Euch gut tun und von denen Ihr Euch unterstützt fühlt (Familie, Hebamme, Stillberaterin, Stillgruppe, Freundinnen).

Und glaubt mir: Ihr bekommt das hin!

In diesem Sinne, entspannt stillen!

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