von Christina Law-McLean IBCLC
Auch stillende Mütter werden mal krank, sind erkältet oder müssen zum Zahnarzt. Manchmal stehen sogar viel einschneidendere Dinge wie eine unvermeidbare OP in der Stillzeit an. Dass bei den allermeisten gewöhnlichen Infektionskrankheiten Stillen nicht nur möglich sondern sogar gut für Dein Baby ist hatte ich ja bereits in einem anderen Blogartikel behandelt.
Darf ich in der Stillzeit Medikamente nehmen?
Das kommt natürlich etwas darauf an, um welches Medikament es sich handelt. Aber -soviel sein vorab gesagt- es gibt tatsächlich viele Medikamente, welche Du auch in der Stillzeit nehmen kannst ohne Sorge um Dein Baby zu haben.
Für die gängigen Probleme wie Schmerzen, Fieber aber auch Infektionen stehen genügend Medikamente zur Verfügung, die mit dem Stillen vereinbar sind.
Das Problem an der Sache ist allerdings, dass auf so ziemlich jedem Beipackzettel auch freiverkäuflicher Medikamente steht, dass angeraten wird das jeweilige Medikament nicht in Schwangerschaft und Stillzeit einzunehmen. Der ebenso häufig auf diesen Zetteln zu findende Rat „nach sorgfältiger Nutzen-Risiken-Abwägung“ oder „nach Rücksprache mit dem Arzt“ bringt die verschnupfte oder an Kopfschmerzen leidende Mutter auch nicht weiter.
Problem 1: Viele Ärzte sind aus Unwissenheit übervorsichtig
Wenn dann eine stillende Mutter den Anweisungen des Beipackzettels folgt, und ihren Hausarzt fragt ob sie denn das entsprechende Medikament nehmen dürfe, so sagt dieser dann nicht selten „Nein!“ obwohl eine Einnahme möglich gewesen wäre.
Das ist oft eher aus Zufall der Zeitpunkt zu dem ich als Stillberaterin davon höre. Zum Beispiel, wenn eine Mutter im Stillcafe mit mulmigem Gefühl vom bevorstehenden Zahnarztbesuch spricht. Der Grund für ihr ungutes Gefühl war in diesem Fall nicht die Behandlung an sich, sondern die Anweisung des Arztes, danach 24h nicht anzulegen bzw die Muttermilch danach für 24h zu verwerfen. Mal abgesehen von der Tatsache, dass der Mutter ein Ansammeln eines eingefrorenen Muttermilchvorates in der kurzen Zeit nicht möglich war sie aber auch keine künstliche Nahrung geben wollte, hätte ihr Baby die Milch gar nicht aus der Flasche getrunken. Zwar gibt es eine Auswahl alternativer Zufütterungsmethoden, aber die Mutter fürchtete schlichtweg 24h „Theater“ weil ihr voll gestilltes Kind ihre Brust eben nicht nur zur Ernährung brauchte.
Die Erleichterung auf dem Gesicht der Mutter als ich ihr sagte, dass der Zahnarzt vermutlich falsch informiert sei und sie höchstwahrscheinlich gar keine Stillpause machen muss war riesig. Dazu später mehr.
Problem 2: Viele Ärzte stufen das Stillen als „mal eben ersetzbar“ ein
Leider habe ich es schon oft miterlebt, das fachfremde Ärzte (Gynäkologen sind in den allermeisten Fällen besser informiert) überhaupt nicht verstehen warum sie sich bezüglich einer stillverträglichen Medikation informieren sollen, da sie davon ausgehen, dass es ja kein Problem sei „mal eben künstliche Nahrung zu füttern“ oder sogar abzustillen.
Der Hintergrund: Darum sind viele Ärzte so vorsichtig
Zum Gebrauch und zur Wirkung von Medikamenten in Schwangerschaft und Stillzeit liegen verständlicherweise nicht so viele Daten vor. Du kannst Dir vorstellen, dass Versuche mit Schwangeren oder stillenden Müttern aus ethischen Gründen natürlich nicht zum normalen Prüfverfahrens eines Medikamentes gehört. Spätestens seit dem Contergan-Skandal ist bekannt, dass auch als harmlos eingestufte Mittel sehr schädliche Wirkungen auf ungeborene Kinder haben können. Und in der Stillzeit ist zwar keine Schädigung eines Embryos zu befürchten, aber je nachdem wie das Medikament beschaffen ist, geht es in mehr oder weniger großen Mengen in die Muttermilch über und kann so auch beim Kind einen messbaren Spiegel erreichen. Hier muss man dann abwägen, ob dies beim Kind eine schädliche Wirkung haben kann oder nicht.
Gesammelte Informationen bei Embryotox
Da -wie gesagt- mit Schwangeren oder mit stillenden Müttern keine Versuchsreihen zur Medikamentenverträglichkeit und Wirkung gemacht werden können, ist man auf „im echten Fall“ gemachte Erfahrungen angewiesen. In Deutschland befasst sich damit das sogenannte Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie (www.embryotox.de). Dort wird eine Datenbank geführt, die Informationen zur Verwendung von Medikamenten in Schwangerschaft und Stillzeit zusammenfasst. Ärzte oder Angehörige anderer Gesundheitsberufe die eine medikamentöse Therapie für eine Schwangere oder eine Stillende planen können sich dort zur Verträglichkeit des jeweiligen Medikamentes erkundigen.
Zusätzlich haben die dort forschenden Mediziner auch ein Standardwerk hierzu herausgegeben (Schaefer C, Spielmann H, Vetter K, Weber-Schöndorfer C. Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit, 8. Auflage. Urban & Fischer, München 2012). Dieses Nachschlagewerk haben Stillberaterinnen wie ich, aber auch die meisten Gynäkologen oder gynäkologischen Krankenhausstationen im Regal stehen um werdende oder stillende Mütter zu beraten.
Dass es diese Informationsquellen gibt, die öfters auch etwas anders lautendes sagen, als die „Rote Liste“ oder der Beipackzettel ist vielen Ärzten anderer Fachrichtungen leider oft nicht bewusst und empfehlen den Frauen dann sogar unnötigerweise abzustillen oder eine Medikamententherapie aufzuschieben bis nach der Stillzeit.
So solltest Du vorgehen
Wie gesagt, für die gängigsten Anwendungen gibt es Medikamente, die auch in der Stillzeit angewendet werden können oder es gibt -wenn das nicht der Fall ist- meist Alternativen die verabreicht werden können.
- Wenn es nicht zu umgehen ist und Du in der Stillzeit ein Medikament benötigst, Dein Arzt aber sagt „damit können Sie nicht stillen“, frage nach, ob er sich diesbezüglich bei Embryotox erkundigt hat. Viele Ärzte die ansonsten nichts mit Stillenden zu tun haben, haben von dieser Möglichkeit noch nichts gehört
- Genau das gleiche gilt auch, wenn Du eine Narkose benötigst. Hier empfehlen manche Anästhesisten leider den Müttern nach der OP eine Stillpause einzulegen. Dies ist aber in dieser Form wegen gängiger Narkosemitteln nicht nötig. Normalerweise reicht es, abzuwarten bis Du wieder so bei Bewusstsein bist dass Du selbst anlegen kannst. Weise die Ärzte auch hier auf Embryotox hin.
In einer Klinik ist auch meist das oben erwähnte Nachschlagewerk (z.B. im Kreißsaal oder auf der Wochenstation) vorhanden - Frage Deine Stillberaterin oder Hebamme um Rat.
Ich suche für meine Patientinnen z.B. die entsprechenden Informationen in dem oben genannten Nachschlagewerk heraus, so dass sie diese ihrem Arzt weitergeben können - Sollte tatsächlich eine Stillpause nicht zu umgehen sein, hole Dir Hilfe bei Deiner Stillberaterin. Sie kann Dir Wege zeigen, wie ihr diese Pause „abwettern könnt“
Weitere Infos und Links findest Du auch hier:
„Still-Lexikon- Arzneimittel und Stillen“
Bis dahin: entspannt stillen
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